Beschreibung
Ruhestand kommt für Klaus Doldinger, der am 12. Mai 2021 seinen 85. Geburtstag feiert, nicht in Frage. Immer der Musik-Leidenschaft zugewandt, sind seine Ohren nach wie vor weithin gespitzt. Das geht jetzt schon seit bald 70 Jahren so. Damals, Anfang der 1950er-Jahre, gründete er mit gleichgesinnten Jazz-Enthusiasten in Düsseldorf die Dixieland-Band The Feetwarmers, denen das Klaus Doldinger Quartett folgte, mit dem er sich dem Modern Jazz widmete. Heute, sagt er bescheiden, möchte er sich weiterhin konstant verbessern. Aber worin eigentlich, ist man gewillt zu fragen. Im Füllen seines Saxofon-Tons mit noch mehr Seele? Im Komponieren? Eigentlich hat er doch schon alles und mehr gespielt, erzählt und gesagt, was ein Musikschaffender in beinahe zwei Leben mitteilen kann. Als ob geistige und körperliche Vitalität nichts wären, schaut er einen ein wenig skeptisch an und antwortet im Brustton der Überzeugung: „Selbstverständlich in allem“.
Selbstüberschätzung artikuliert er damit nicht. Fragt man im Umfeld des Jazz-Connaisseurs nach der Quelle seiner scheinbar nie versiegenden Musikalität, lautet die Antwort unisono: musikalische Neugierde. Doldinger war immer ein Fan – und er ist es bis heute geblieben. Vermutlich musste sich der Mann deshalb nie anstrengen, hip zu wirken. Zeitgemäße, musikalische Statements schüttelt er seit jeher quasi mühelos, in bemerkenswerter Regelmäßigkeit aus dem Ärmel. Dennoch ist seine Musik unverkennbar-unangepasst Doldinger geblieben. Da sind seine jubelnden, am Jazz geschulten Saxofon-Motive und -Soli, die unzählige Menschen erreichten, die mit Jazz erstmal gar nichts am Hut hatten. Und da ist sein charakteristischer Hang zur Dramaturgie, zum spannenden Aufbau von Kompositionen. Das Narrativ zuvorderst im Blickwinkel, schuf er zig musikalische Signet-Stücke von bleibendem Wert. Seit nunmehr 50 Jahren setzt sich sein „Tatort“-Thema, das beständig vor und nach jeder Folge der ARD-Krimiserie ausgestrahlt wird, im kollektiven Gedächtnis wieder und wieder fest, zumindest skizzenhaft. Aber wer sich das berühmte Stück nochmal in voller Gänze anhört, erkennt darin nicht nur eine ausgezeichnete Produktion und sorgsam gewählte Instrumentierung. Die markante „Tatort“-Melodieführung steht Pate für beinahe alles, was Doldinger seit 1970 mit seiner Band Passport formuliert. Zum Glück ist sie ein Teil der neuen Werkschau, denn mit ihr feierte Passport quasi Band-Einstand.
Eindrücklich zeichnet „The First 50 Years of Passport“ erstmals die vielen unterschiedlichen musikalischen Wege und Verbindungen remastert auf einem Album nach, die Klaus Doldinger und seine zahlreichen Bandkollegen im Laufe des letzten halben Jahrhunderts beschritten und fanden. Über 5000 Konzerte, die Passport beinahe auf allen Kontinenten der Erde spielte, haben ihre Spuren im großen Werk der bedeutenden Band hinterlassen. Die Nonchalance brasilianischer Musik, deren Studium Doldinger bereits Mitte der 70er-Jahre betrieb, spiegelt sich in „Bahia do Sol“, während „Blue Tattoo“ ein paar Jahre später den Reggae in die Passport-Metrik übertrug. Den anfänglich meditativen, später pulsintensiven „Sahara Sketches“ liegt hingegen eine Musikerkundungstrip Doldingers in Marokko zugrunde.
Alles bleibt kontinuierlich im Fluss bei Passport, die Rhythmen, die Harmonien, und natürlich auch die Rang- und Namen-Instrumentalisten, denen Doldingers Band bisweilen als Sprungbrett zu großen, eigenen Karrieren diente. Curt Cress, Ernst Ströer und nicht zuletzt auch Udo Lindenberg, legten unter anderen die feinmotorischen, rhythmischen Fundamente, auf denen sich Passport mit jedem Album anders definieren konnte. Ströers energisch-elegante Conga-Basis lässt das spektakuläre „Seven to Four“ einer elektrisierend-undefinierbaren Größe zuspielen, während Curt Cress‘ sagenhafte Polyrhythmik im Zusammenspiel mit Wolfgang Schmids Bass-Grundierung „Abracadabra“ im Spannungsgeld zwischen Jazz und Rock ansiedelt. „Loco-Motive“ war mit tanzbarem Beat 1978 ein Muss auf jeder besseren Party. Vom gleichen Album stammt auch das Titelstück „Ataraxia“, auf dem der nach wie vor vielgefragte Pianist und Synthie-Spezialist Hendrik Schaper sein Passport-Debüt gab. Mehr als 350 Stücke hat Klaus Doldinger alleine für Passport geschrieben. Denen wohnt das gleiche, gut ins Gehör gehende Genom inne wie seinen Film- und Fernsehmusiken „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“.
Ein beachtlicher Querschnitt des bedeutend-großen Gesamtwerks von Passport ist „The First 50 Years of Passport“ geworden – sorgsam vom „Meister und Mentor“, wie Klaus Doldinger respektvoll von Udo Lindenberg bezeichnet wird, zusammengestellt. Neu gemastert, erstrahlen die Stücke mehr denn je und nehmen den Zuhörer auf eine intensivere Reise in die Geschichte von Passport. Der Passport-Gründer und Band-Leader Doldinger blickt keineswegs selbstzufrieden auf seine bisherigen Großtaten zurück. Dafür ist er immer noch viel zu vorausschauend unterwegs. Aber eine gewisse Freude über die viele geteilte Musik mit seinen Musikern und seinen Zuhörern gesteht der sympathisch wenig eitel wirkende Mensch ein. Freude stecke in jeder Note, jeder Harmonie, jeder Taktung, die er je spielte oder komponierte, sagt er. Seine eigentlich treibende Kraft sei die Liebe, fügt er frei von Pathos hinzu. Deswegen darf das Doppelalbum „The First 50 Years of Passport“, in dem alle wichtigen Eckpfeiler der langen Passport-Karriere gebündelt vorliegen, gerne auch als Klaus Doldingers Liebeserklärung betrachtet werden. An die Musik und an seine Zuhörer.
Tracks:
1 Passport Is Born: Tatort
2 Uranus
3 Hexensabatt
4 Abracadabra
5 Passport On Adventure: Ataraxia 1
6 Dawn
7 Jadoo
8 Loco-motive
9 Allegory
1 Passport Around The World: Bahia Do Sol
2 Blue Tattoo
3 Sahara Sketches
4 Passport Live & Encore: Schirokko
5 Hand Made
6 Seven To Four